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Heftarchiv – Leseproben

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[€ 9.00]  ISBN 978-3-943297-11-9

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Leseprobe aus Heft 4/2013

Kleinschmidt, Sebastian

LOGBUCH. LETZTER EINTRAG


Wenn man das Glück hatte, fast dreiundzwanzig Jahre an der Spitze einer Zeitschrift wie »Sinn und Form« zu stehen, auf der Brücke dieses stolzen Schiffes, um im Auftrag eines ehrwürdigen Reeders, der Berliner Akademie der Künste, dafür zu wirken, daß nicht Stürme und nicht Flauten, nicht Untiefen und nicht Klippen dem schönen Segler die Fahrt nehmen, dann geht einem in dem Moment, wo man abmustert, weil es Zeit geworden ist, daß Jüngere das Ruder übernehmen, so manches durch den Kopf. Der Wechsel der Epochen, das Schiff und seine Kapitäne, ihr nautisches Geschick, die Besatzungen, aber auch das Personal der Werften und der Reederei. Nicht zu vergessen das Entscheidende, die Schriften der Autoren, das eigentliche Frachtgut, und die unbekannten Leser, für die es bestimmt ist und die es alle zwei Monate in Empfang nehmen. All denen, die mit Herz und Verstand dafür gearbeitet und gestritten haben, daß Sinn und Form seit fünfundsechzig Jahren seetüchtig ist, sei vielmals gedankt.

Das wichtigste, was Segelschiffe brauchen, ist Wind. Doch gerade der läßt sich nicht kommandieren. Man muß ihn aufspüren. Aufmerksamkeit und Umsicht, Ausdauer und Geduld sind gefragt, variable Routen, bewegliche Rahen, stabile Takelage. Und noch einiges mehr. Der Wind – Seeleute wissen das – weht, wo er will. Es ist wie mit dem Geist. In diesem Sinne sind alle Fahrensmänner Theologen.

Die Fahrten, die Fährnisse – das ist eine lange Erzählung. Zu lang für dieses kleine Wort des Abschieds. Doch eins noch will ich sagen: Es war ein großes Abenteuer, das Abenteuer meines Lebens.

 

SINN UND FORM 4/2013, S. 621